Was verstehen wir unter New Work?
New Work, Arbeit 4.0, Zukunft der Arbeit – egal, wie man es nennt, unsere Arbeitswelt befindet sich in einem radikalen Wandel. Dabei hebt New Work den Arbeitsbegriff auf eine neue Ebene. Der fortschreitende Wandel von einer Industrie- zur Wissensgesellschaft erfordert neue Arbeitsmodelle. Erstmals wurde das Konzept New Work von dem Sozialphilosophen Frithjof Bergmann entwickelt. Im Kern beschäftigt es sich mit der neuen Arbeitsweise heutiger Gesellschaften im digitalen und globalen Zeitalter, mit den zentralen Werten Selbständigkeit, Freiheit und Gemeinschaft. Menschen erhalten so die Möglichkeit, ihre eigene Persönlichkeit zu entfalten, Kreativität zu leben und sich selbst zu verwirklichen.
Was bedeutet das für Mitarbeiter?
Man kann sagen, New Work ist eine Frage der Haltung. Sie verbindet traditionelle Werte mit modernen Arbeitsmethoden. Im Prinzip geht es darum, wie wir in unserer sich immer schneller verändernden komplexen Arbeitswelt sinnvoll und sinnstiftend zusammenarbeiten und dabei immer den Kunden im Fokus haben. Dabei geht es um die kluge Verknüpfung zwischen der Arbeit und der Zusammenarbeit.
Welche Potenziale hat das Konzept für die neue Arbeitswelt?
New Work führt zu einem Wandel im Mindset. Der Mensch rückt in den Fokus, Selbstverwirklichung und Potenzialentfaltung werden zu zentralen Werten. Der Mensch ist die Basis eines jeden Unternehmens. Er bringt seine Ideen ein und treibt Themen voran. Dementsprechend sollten nicht mehr strukturelle Rahmenbedingungen darüber entscheiden, wer mit wem zusammenarbeitet, sondern die Interessen und Fähigkeiten. Ein offenes Ökosystem mit Sharing-Kultur und großem Kommunikationsnetz muss das Ziel sein.
New Work macht die Arbeit wieder menschlicher, Ellenbogen-Mentalität und stetiger Konkurrenzkampf weichen einer gemeinsamen Arbeitsweise mit Respekt und Wertschätzung füreinander. Das ist das Potenzial von New Work für die neue Arbeitswelt.
Wie verändert New Work Führung?
Es geht um nichts weniger als um eine Revolution der Führung. Denn Führungskräfte müssen ihren Führungsstil entweder von Grund auf ändern oder zumindest radikal um neue Verhaltensweisen erweitern. Die Kernaufgabe der Führungskräfte von heute besteht heute darin, ihren Mitarbeitern Orientierung und Sicherheit in Zeiten der Veränderung zu geben – also mehr Menschenführung, weniger Management. Dazu gehört unweigerlich, sich mit veränderten Geschäftsmodellen sowie Lebens- und Arbeitswelten auseinanderzusetzen, um eine entsprechende Haltung zu entwickeln.
Das Fatale ist: Die Komplexität der Entwicklung wird in Organisationen noch immer zerredet. Die Folge: Die Veränderung in der Organisation wird durch Killerphrasen wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ blockiert. Am Ende bleibt es nur bei dem Versuch – doch das funktioniert nicht mehr.
Was für einen Typ Manager beziehungsweise welche Fähigkeiten braucht es für New Work?
Organisationen und Führungskräfte brauchen Mut, die Komplexität anzunehmen und zu agieren. Dazu gehört Loslassen können, flexibles Denken, selbstbewusstes Entscheiden sowie schnelles Handeln, ohne die Gewissheit zu haben, ob die getroffenen Entscheidungen schlussendlich die Richtigen waren. Das erfordert bei Führungskräften ein hohes Maß an Empathie, aber auch die Fähigkeit zur Selbstregulation und Resilienz.
Welche Probleme kann New Work mit sich bringen?
Häufig werden agile Ansätze und Selbstorganisation gleichgesetzt mit „Loslaufen ohne Sinn und Verstand“. Das ist natürlich falsch. Alles, was im Zuge von New Work und neuen Arbeitswelten umgesetzt wird, sollte mit einer klaren Fokussierung auf ein Ziel verbunden sein, eingebettet in eine Gesamtstrategie. Dabei bedeutet eine offene Lern- und Experimentierkultur nicht, zu viele Teilprojekte auf einmal anzugehen und ein vordergründig cooles Innovation Lab aufzubauen. Das verändert gar nichts. Vielmehr gilt es, die wahren Schmerzpunkte im Unternehmen ausfindig zu machen und hierfür gezielt flexible, schnelle, kleine Lösungsstrategien zu entwickeln. Funktioniert ein Weg mal nicht, kann er schnell abgebrochen werden, ohne dass die Gesamtstrategie in Frage gestellt werden muss.
Wie stehen Mitarbeiter zu New Work?
Moderne Tools, neue Herangehensweisen – Mitarbeiter freuen sich über neue Herausforderungen, die die Alltagsroutine aufbrechen und den Job interessant bleiben lassen. So zeigt auch eine Umfrage der Karriereberatung von Rundstedt klar, dass Mitarbeiter prinzipiell offen sind. Organisationen sollten jedoch darauf achten, das sie nicht zu viel auf einmal verändern. Auch sollten die Veränderungen keine negativen Auswirkungen auf Familie und Freizeit haben. Ferner fordern Mitarbeiter – absolut berechtigt – von den Schlüsselpartnern wie HR und Führung eine gute Vorbereitung sowie eine kommunikative Begleitung des Strukturwandels. Denn häufig scheitert es am nicht geklärten Warum: Warum arbeiten wir? Welche Ziele verfolgen wir? Warum handeln wir, wie wir handeln?
Wenn Organisationen es schaffen, in kleinen Schritten für die richtigen Rahmenbedingungen zu sorgen, und Führungskräfte dabei fordern, fördern und unterstützen, dann können Mitarbeiter ihre individuellen Potenziale voll entfalten und Teil einer kreativen Leistungskultur sein, in der die Arbeit wieder mehr Spaß macht. Wer verstanden hat, um was es wirklich geht, wird nie mehr anders arbeiten wollen.
(Auszug aus Interview von Dorothee Brommer, Sabine Hockling und Annika Leopold mit Springer Professional am 20.08.2019)